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Vor 100 Jahren: Wie eome Schuldenbremse Goldene 20er-Jahre schuf

Wer weiß schon, dass es Deutschland, hoch verschuldet, einst fast so schlecht ging wie Griechenland 2011 (in Folge der weltweiten Finanzkrise). Es waren die USA mit ihrem Dawes-Plan anno 1924, die die Reparationslasten und deren Rückzahlung für fünf Jahre abmilderten. Heute sind diese Jahre als „Golden Twenties“ ein Mythos. Dann kamen der Börsencrash in New York – und mit aller Wut und Macht Adolf Hitler mit seinen Nationalsozialisten. Was hat Deutschland gelernt?



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Um die Sache mit den Staatsschulden zu verstehen, sollte man zunächst zurückblicken. Wann und wie überhaupt das liebe Geld entstanden ist, dessen Stabilität uns heute einigermaßen ruhig schlafen lässt in Deutschland. Das war nämlich nicht immer so: in Zeiten von Inflation, Deflation, Währungsreform und des Umtauschs des DDR-Geldes in harte D-Mark.

Vor 100 Jahren waren die Deutschen zutiefst davon überzeugt, dass die bunt bedruckten Scheine ein schlechter Witz waren. Sie tanzten während der Weimarer Republik auf dem Vulkan – Berlin wurde zum Sünden-Babel. Geld hatte man – oder auch keines. Die Spielregeln für eine geordnete Währungsreform waren damals noch andere. Bis heute fasziniert uns deshalb, wie Spekulanten den Staat damals austricksen konnten. Während andere Haus und Hof dreingeben mussten, um überhaupt zu überleben oder einigermaßen über die Runden zu kommen. Vermögensverhältnisse änderten sich kolossal; Viele verloren alles, andere wie Hugo Stinnes wurden zum Krösus.

Wie der Kaufmann Jakob Michael die Deflation vor 100 Jahren zu nutzen wusste

Ein bemerkenswertes Beispiel ist auch Jakob Michael, der wie kaum ein anderer Entrepreneur im Lande das Spiel mit der Währungsspekulation durchschaut hat. Seine Vita ist nur wenigen bekannt. 100 Jahre nachdem er mit seinen Zinsgewinnen und Zinseszinsen in Berlin unter anderem die Hackeschen Höfe gekauft hat, die damals noch gar nicht so hießen und im Hinterhof die Muttergesellschaft der Deutschen Familienkaufhäuser (Defaka) für den priviligierten Beamteneinkauf ansiedelte – die Urzelle der heutigen Galeria-Käufhauser (bzw. des nach 1945 in Düsseldorf beheimateten Horten-Konzerns).

Doch zunächst wagen wir eine Exkurs zum Thema Geld: Eine der wichtigsten Gründe für Otto von Bismarck, die deutschen Städte und Länder 1871 als Deutsches Reich zu vereinen, war sicherlich die für den industriellen Aufschwung in den deutschen Landen noch ungeklärte Währungsfrage. Heute kaum mehr vorstellbar zahlten die Deutschen je nach Region im Süden vornehmlich mit Gulden, im Norden mit Talern. „Zu den vielfältigen Münztypen kamen die Noten von 33 privaten Banken sowie das Papiergeld von 20 Bundesstaaten und drei Körperschaften hinzu“, erläuterte 1965 die Deutsche Bundesbank in ihrem Kompendium „Über das Papiergeld im Deutschen Reich“. Dann wurden im Dezember 1891 die ersten Goldmünzen geprägt – im Wert von zehn oder 20 Mark als „Krone“ oder „Doppelkrone“ bekannt. Das Ziel: „Mit der Gründung des Reichs wurde der Weg frei für eine großzügige Reform des Geldwesens.“

An dem 1. Januar 1876 gab es in Deutschland nur noch eine Währung: die Papiermark, die zu einem wesentlichen Teil mit Gold hinterlegt war, um finanzielle Stabilität und gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen. Über den geregelten Geldverkehr wachte von nun an die eigens in Berlin gegründete Reichsbank (1873/76 an der Jägerstraße in Berlin errichtet). Wenn auch anfangs weiterhin noch Privatbanken dabei aushalfen, Geldscheine zu drucken und in Umlauf zu bringen. Wie einige Menschen vermutlich bereits einmal (beim Blick in das Grundbuch ihres Altbaus ) bemerkt haben dürften, dauerte es seine Zeit, bis das Papiergeld im Reich endlich weite Verbreitung fand – die Hypothekenschulden valutierten früher nominell in Gold.

Anfangs spielte die Papiermark keine große Rolle – Goldmünzen waren gefragt

„Im Zahlungsmittelumlauf spielte das Papiergeld in der Zeit von der Gründung der Reichsbank bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs nicht die wichtigste Rolle. Nur Goldmünzen – bis zum Jahre 1907 auch silberne Taler – waren unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel.“ Erst 1906 endete dann das Notenprivileg für die meisten der vielen Privatbanken, wobei die letzten vier regionalen Notenbanken (Bayerische Notenbank, Sächsische Bank, Württembergische Notenbank und Badische Bank) erst Ende 1935 ihr Recht einbüßten – also schon in der NS-Zeit. Man staunt, wie stabil die Ordnung dennoch bis zum Ersten Weltkrieg blieb.

Obwohl die Reichsbank bereits 1879 begonnen hatte, in der Reichsdruckerei neue, eigene Notenbilder Aufdruck der Reichsbank zu entwerfen, herzustellen und auszuzahlen, dauerte dies noch einige Jahre länger. Das Vertrauen in die Scheine stellte sich erst allmählich ein, wie man sich gut vorstellen kann. Die Mark war bei weitem nicht immer so stabil, wie zur Einführung des Euros am 1. Januar 2002.

„Die neue 100-Mark-Note mit Datum vom 3. September 1883 und die zu 1000 Mark mit Datum vom 2. Januar 1884 wurden Ende 1884 in Umlauf gegeben. Sie waren die für das Vorkriegsdeutschland typischen Noten, die mit der volkstümlichen Bezeichnung als „Blauer“ und „Brauner“ in die Geldgeschichte eingegangen sind und fast 40 Jahre lang im Verkehr waren. Also bis 1924 – genau vor 100 Jahren änderte sich dies alles in Folge des Ersten Weltkriegs und der Hyper-Inflation anno 1923, die die Welt und das Vertrauen der Deutschen bis ins Mark erschüttert haben – und in der Erinnerungs-DNA der Deutschen bis heute fortwirken.

Aus Sicht unserer Bundesbank nahm das Unheil schon vor nunmehr 110 Jahren seinen Lauf. „Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges leitete eine Periode ein, in der das Geldwesen immer mehr aus den Fugen geriet, bis es schließlich nach zehn Jahren im Chaos einer alle Vorstellungen übersteigenden Inflation völlig zusammenbrach.“ Im Juli 1914 stellte die Reichsbank die Einlösung ihrer Reichsbankscheine gegen Gold ein. Liquiditätsengpässe der öffentlichen Hand wurden teils mit Darlehnskassenscheinen beglichen – also nichts anderes als einer Art Notgeld.

Druckerpresse anschmeißen und die Kriegskosten mit Inflation und Abwertung bezahlen

Es wurde im wörtlichen Sinne die Druckerpresse angeschmissen: Der Bedarf an Papiergeld, dessen Umlauf von einst 3,1 Milliarden Mark bei Ausbruch des Krieges auf 22,2 Milliarden Mark gegen Ende August 1918 geklettert ist, war enorm. Als Ende des Sommers 1918 die Bevölkerung Zweifel am guten Ausgang des Krieges kam, setzte ein Sturm auf die Kassen der Banken und Sparkassen ein.

Jeder hortete Cash unter der Matratze. Der Papiergeld-Umlauf stieg auf 32,9 Milliarden Mark im Dezember 1918. Allerlei sogenannter Hilfsbanknoten wurden verteilt und verwässerten den Wert des Geldes fortwährend. Was die wenigsten heute verstehen oder auch nur wissen: Sämtliches Papiergeld der Reichsbank, das ihr aus dem Ausland (sic!) präsentiert wurde, musste in dieser kritischen Phase gegen Gold oder Devisen zum Vorkriegskurs eingelöst werden. In Holland und der Schweiz wurden deshalb Ende 1918 diese Marknoten aufgekauft, in die von Deutschland geräumten Gebiete verbracht und der Reichsbank zur Einlösung präsentiert.

Für den normalen Bürger war das eher kein Thema. Das Volk hatte andere Sorgen nach Kriegsende. Aber pfiffige Unternehmer wie Jakob Michael, der seit frühester Jugend in Frankfurt international bestens vernetzt war, erkannte und nutzte seine Chance. Bis zum Höhepunkt der Inflation anno 1923 sammelte er scheinbar wertloses Papiergeld ein und verbrachte es tatsächlich in Lagerhäuser, um es dort zu stapeln. Im Gegenzug trennte sich Michael von all seinen nicht unerheblichen Effekten, die er als Monopol-Lieferant der Wehrmacht mit Wolfram-Erz und anderen metallurgischen Stoffen erwirtschaftet hat.

Walther Rathenau, der 1922 im Grunewald ermordete Außenminister, während des Krieges noch als Chef der Kriegsrohstoffabteilung an der Berliner Hedemannstraße verantwortlich, war sein Ansprechpartner und Haupt-Abnehmer.

Warum Wather Rathenau Michaels Wolfram-Erz für den Panzerbau brauchte

Denn Wolfram wurde zur Stahlhärtung, für Munition und den Bau von Panzern und U-Booten benötigt. Jakob Michael (28. Februar 1894 in Frankfurt am Main geboren und am 7. September 1979 in New York verstorben) wurde trotz seines noch jungen Alters für die Kriegswirtschaft prompt als unabkömmlich eingestuft und vom Militärdienst freigestellt.

Der Sohn eines Frankfurter Weinhändlers hatte nie studiert, aber ein gutes Näschen für chemische Zusammenhänge. Anfangs, noch minderjährig, zusammen mit seinem Vater und dann als Lehrling bei der Metallhandlung Beer, Sondheimer & Co. in Frankfurt machte er Geschäfte mit Marie Curie in Paris, fädelte Radium- und Uran-Deals ein und wickelte diese gewinnbringend ab. Michael ahnte früh, dass mit der französischen Abriegelung Minen in Lothringen nicht mehr zugänglich waren. Er wusste allerdings auch, dass vornehmlich im Erzgebirge noch ungenutzte Abraumhalden mit dem wertvollen Metall lagen, die er sich sicherte, um den wachsenden Bedarf der Reichswehr an Wolfram zu decken. Ein lukratives Geschäft mit dem Krieg.

Und dennoch nicht ansatzweise vergleichbar mit seiner mutigen Währungsspekulation nach dem Krieg, die ihn den gerade mal 30-Jährigen 1924 unter anderem „zum größten Geldgeber der Deutschen Reichspost“ avancieren ließ, wie es damals in Wirtschaftsberichten der Hauptstadtpresse hieß, und sogar zum „reichsten Mann Deutschlands“ aufstieg. Was zumindest der „Berliner Herold“ anno 1925 mutmaßte und so schrieb. Während die Weimarer Republik den Anker schmiss und jegliche Schuldenaufnahme vermied, stand er als Geld- und Kreditgeber bereit. Wer durchstarten und investieren wollte, kam nicht Michael vorbei. In einer nur recht kurzen Zeitspanne macht er ein Vermögen, während der Fiskus den neuen Zeit noch ziemlich kopflos gegenüber stand. Als 1925 sich die Lage allmählich stabilisierte, war Michael ein gemachter Mann – und für viele im Land zugleich ein Feindbild.

Die satten Gewinne aus Zinserträgen, der Strafbestand der Wucherzinsen griff damals noch nicht, reinvestierte Michael in den Kauf von gut und gerne 120 Geschäftshäuser in bester Innenstadtlage Berlins. Die notleidend gewordene Höfe an der Rosenthaler Straße 40/41, unweit der Berliner Börse gelegen, gehörten zu den größten Anlageobjekten – es ist die heute als Hackesche Höfe bekannte Passage im ehemaligen jüdischen Viertel Berlins.

Was Chronist Kurt Tucholsky von den Geschäften des Spekulanten hielt

Bühnenhäuser wie das heute noch existente und beliebte Renaissance-Theater gehörten auch zu seinem Immobilien-Portfolio. Berlins großer Chronist Kurt Tucholsky lästerte dereinst: „Wir gehen in ein dem Herrn Jakob Michael gehöriges Spekulationsobjekt: in ein Theater. Wir haben Plätze direkt unter der ersten Hypothek.“ Das stimmte tatsächlich, denn die Immobilien wurden tatsächlich „bis unters Dach“ mit Hypotheken belastet in den 20er-Jahren, um das Vermögen über Michaels Tochterfirmen ins Ausland zu transferieren. Da Michael mit der Industrie- und Privatbank an der Friedrichstädter Mittelstraße über eine voll umfängliche Banklizenz verfügte, war das für ihn nicht wirklich schwer. Ab 1930 bereits zog es Michael nach Den Haag – immerhin waren die Niederlande damals eine Steueroase und guter Rückzugsort. 1939 ging es von dort nach New York in die USA.

„Ein Finanzgenie“, schwärmte der Börsenguru André Kostolany (1906-1999) einst in einem Gespräch über seine eigenen „Matura-Jahre an der alten Berliner Börse“ und seine Zeit in Paris, als er „Michael gimmer wieder mal beim Mittagstisch“ antraf. Dass Michael das (1924 eingesammelte) Geld auch Versicherungen und in die Emil Köster AG steckte (und diese Beteiligung über einen amerikanischen Strohmann bis Ende des Zweiten Weltkriegs zu verschleiern half, dass er der wahre Betreiber der Defaka-Kaufhäuser in Berlin und Hamburg war), ist selbst Kostolany verborgen geblieben. Michael verdiente mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs an Uniformen, erst mit Kriegseintritt 1942 wurde die Beteiligung als sogenanntes Feindvermögen unter Kuratel gestellt, enteignet wurde die Emil Köster AG erst von den Russen auf der sogenannten „Liste 3 für Kriegsverbrecher und Nazi-Aktivisten“ Erst als das Magazin „Der Spiegel“ 1954 den Verkauf der Emil Köster AG an den Kaufhaus-Mogul Helmut Horten meldete (für sage und schreibe 60 Millionen Mark), tauchte der Name überhaupt erstmals wieder in Nachkriegs-Deutschland auf.

Nach Angaben Ernst Feders (1881-1964), des Publizisten und langjährigen innenpolitischen Redakteurs des seriösen „Berliner Tageblatts“ (1872-1939), zählte Michael zu der raren Spezies, die einerseits im Herzen zwar Zionisten waren, andererseits (dieses Ziel im Auge) mit den rechten Kräften in Deutschland lange liebäugelten und aus Naivität auch paktierten – bis es plötzlich zu spät war. Unter dem Titel „Heute sprach ich mit…: Tagebücher eines Berliner Publizisten 1926-1932“ veröffentlichte Feder seine Notizen. Er war einer der wenigen, die sich in den 20er-Jahren ein genaues Bild von Michael gemacht hatten.

Jakob Michael wurde später zum Philanthropen, der seine Geschichte als Spekulant in Deutschland hinter sich und später lieber Krankenhäuser unterstützte, sogar eine Synagoge in Italien demontieren ließ, um in Israel wieder aufzubauen. Tom Freudenheim, der spätere Managing Direktor des Judischen Museums in Berlin, saß am Schabbat mit ihm noch in der Synagoge, wo kaum jemand über Michaels bemerkenswerte Vita Bescheid wusste oder redete. Selbst zu Hause war Berlin und die Vorkriegsgeschichte ein Tabu, wie sein in Berlin geborener Sohn Ernest Michael freimütig einräumte. Jakob Michael verstarb in New York anno 1979. Seinen Kindern und Enkeln gelang es nach der Wende erfogreich seine Immobilien in Berlin zurückzufordern oder aber entschädigen zu lassen. Die Hackesche Höfen wurden in der Folge aufwändig von einem Konsortium saniert und gehören heute einer Erbin des Kosmetikunternehmens Wella (Darmstadt) und ihrem Mann.

Nicht mal eine Fußnote in der Wirtschaftsgeschichte – das Husarenstück mit der Papiermark

Michaels Husarenstück mit der wertlosen Papiermark, die in Rentenmark und dann die neue Reichsmark umgerubelt wurde, jährt sich dieses Jahr zum 100. Mal. Es wäre wohl nur eine Fußnote der Geschichte, wenn heute nicht die aktuelle Politik im Lande angesichts der aktuellen Wirtschaftskrise Deutschlands um die Schuldenbremse ringen würde. Und die ist tatsächlich damals vor 100 Jahren erstmals überhaupt gezogen worden – in Folge des US-amerikanischen Dawson-Plans.

Wer die Standardwerke über die deutsche Inflation 1923 und Deflation 1924 liest, etwa die Kompendien Prof. Gerald D. Feldmans (1937-2007) von der kalifornischen Berkeley-Universität, erfährt über Michael nicht einmal eine Fußnote. Er erzählt, wie der Inflations-Gewinnler Hugo Stinnes groß und fett geworden ist, während Jakob Michael totgeschwiegen wurde.

Dabei ist die Zeit damals plötzlich durchaus wieder sehr relevant. Auch heute schwadronieren rechte Politiker wie damals der Reichstagsabgeordnete Gottfried Feder, der tatsächlich nicht mit jenem Schriftsteller Ernst Feder verwandt war, geiferten über den „Tiefstand deutscher Staatsmoral“. Und doch verabschiedete der Reichstag am 29. August 1924 die Regierungsvorlage für das neue Bankgesetz – das den Spuk der Inflation beenden sollte, aber Hitler nicht verhindern konnte.

Mit Billionen einkaufen: Die drittgrößte Weltwirtschaft in absoluter Schockstarre

Es führte zu drastischen Reformen in der Reichsbank und zur Einführung einer neuen Währung. Eine neue Reichsmark sollte endlich wieder für stabile Verhältnisse im Land sorgen. Der Schock über Billionen-Scheine, mit denen 1923 im Land bezahlt werden musste, war so groß, dass im November ein radikaler Schnitt verfügt wurde und die Regierung nur noch so viel an Geld ausgab wie sie tatsächlich einnahm. Die erste Schuldenbremse – ein harsches Vorgehen, wenn man bedenkt, dass Deutschland auch damals schon die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt war. Gebeutelt zwar, aber ungemein produktiv! Zur Zahlung wurde zunächst die sogenannte Rentenmark eingeführt, die freilich nur im Inland zur Zahlung herangezogen wurde. Sie wurde auch gar nicht von der Reichsbank emittiert, sondern von einer rein privatwirtlich aufgestellten Rentenbank. Es sollte eine Übergangslösung werden. Für eine Billion der alten Papiermark gab es beim Eintauschen zunächst eine Rentenmark. Das stabilisierte die Verhältnisse recht schnell.

Für stabile Verhältnisse musste freilich erst mit den Siegermächten über die Reparationsfrage von Versailles verhandelt werden. Es ging um Devisenbestände in gigantischem Ausmaß, die vor allem an Frankreich gezahlt werden sollten, weil ja dort das hauptsächliche Kriegsgeschehen für Zerstörung gesorgt hatte. Geleitet wurden die Gespräche vom US-Bankier und Politiker Charles G. Dawes. Der Plan, den er schließlich vorlegte, reduzierte die Reparationen deutlich und schuf Zukunfts-Perspektive.

Kredite und Bürgschaften aus den USA sollten die deutsche Zahlungsfähigkeit wieder herstellen, was deshalb auch gelang, weil Deutschland die Zahlungen in eigener Währung leisten durfte. Die Reichsbank, mittels einen Generalrats mit Vertretern der USA, des Vereinigten Königreichs, Belgiens, Frankreichs, Italiens, der Schweiz und der Niederlande überwacht, musste die Unabhängigkeit von der Politik garantieren. Die neue Reichsmark war im übrigen (wie die Mark im Kaiserreich) wieder an die Goldreserven der Reichsbank gekoppelt: Eine Reichsmark entsprach 1/2790 Kilogramm Feingold – also 0,358 Gramm.

Wie wohl Christian Lindner mit der Schuldenbremse 1924 klar gekommen wäre

Gedruckt werden durften nur so viele Banknoten, wie es der Goldbestand erlaubte. Eine Schuldenbremse, die in dieser Art selbst Finanzminister Christian Lindner, unser oberster Sparkommissar der FDP, nicht durchhalten könnte. Und dennoch lobte Reichsbank-Präsident Hjalmar Schacht am 11. Oktober 1924 in einem Brief an Reichskanzler Wilhelm Marx, dass die von den Alliierten kontrollierte Reichsmark „eine Entwicklung in der Währungspolitik zum Abschluss gebracht, die uns aus der hemmungslosen Inflation in stabile Verhältnisse zurückgeführt hat“. Die deutsche Wirtschaft erlebte 1924 fünf Jahre rasanten Aufschwungs – Schacht sorgte für eine stabile Reichsmark.

Wie heute Links und Rechts schrien natürlich auch schon damals Kommunisten wie Nationalsozialisten im Parlament aufgebracht Zeter und Mordio – und letztlich selbst Dr. Schacht. Doch das war erst fünf Jahre später, als die Dawes-Zahlungen durch den folgenden Young-Plan der USA abgelöst werden sollten und in den Untergang der Republik führten. Das Jahr 1929, das war bekanntlich zugleich das Jahr der großen Depression (in Folge des New Yorker Börsencrashs). Dennoch – oder genau deshalb – gab es keine Kompromisse oder Friedensangebote bei den Schulden mehr. Der Schuh drückte den Deutschen und schmerzte – und destabilisierte die Weimarer Republik endgültig. Die kurze wirtschaftliche Blüte verdörrte. Der deutschen Wirtschaft gelang es nicht in Ansätzen, so schnell wieder an Produktivität zu gewinnen – wie West-Deutschland nach 1945.

Das deutsche Wirtschaftswunder mit sprudelnden Einnahmen und Devisen kam zwar – aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Verkäufe etwa des VW-Käfers in alle Welt sorgten für genau den Handlungsspielraum in der Bundesrepublik, den die Regierungen Brüning, von Papen und Schleicher vor Hitlers Machtergreifung nicht hatten. Es sollte noch Jahrzehnte dauern, alle Reparationen (mit einem neuem Schulden-Verständnis) sukzessive abzustottern.