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Das ultimative Ranking aller Alben

14 –  Am Universum (2001)

Das ultimative Ranking aller AlbenDas ultimative Ranking aller AlbenZur Jahrtausendwende entwickelt die Ex-Death-Metal-Band AMORPHIS ihren Sound weiter Richtung straighter Dark Rock. Die Gesangsmelodien werden etwas grungy. Saxophon und psychedelische Keyboards aber bleiben – und damit der latente Hippie-Faktor, den die vorherigen Alben eingeführt haben. Klingt alles ganz gut, “Am Universum” ist aber das erste AMORPHIS-Album, das einen sehr faden Geschmack hinterlässt.

Meiner Meinung nach liegt das vor allem am damaligen Sänger Pasi Koskinen (“Am Universum” ist sein drittes AMORPHIS-Album). Seinen Melodien fehlt zu oft die Magie, die das Vorgänger-Album “Tuonela” noch hatte. Der Song “Shatters Within” hat die Magie, und auch der Opener “Alone” – ja, “Am Universum” ist eines dieser Alben, die mit dem besten Song einsteigen, was nie ein gutes Zeichen ist.

Die schnarchig gesungene Nummer “Drifting Memories” ist hingegen ein Beispiel dafür, dass einige Songs auf diesem Album nur knapp vom engagierten Einsatz von Gitarren und Keyboard gerettet werden. Hinzu kommen fragwürdige Entscheidungen im Songwriting, die Atmosphäre von “Grieve Stricken Heart” etwa wird von einem Prechorus auf Schülerbandniveau zersägt.

Hat “Am Universum” deshalb den letzten Platz verdient? Kann man gerne drüber streiten, aber die lasche Performance ist einfach zu ärgerlich für mehr.

13 –  Skyforger (2009)

amorphis skyforger album coveramorphis skyforger album coverIch kann “Skyforger” mit seinem Pop-Appeal nicht leiden. Ich habe das Album 2009 sofort gekauft. Aber beim dritten Song, der Schmalzbombe “From The Heaven Of My Heart”, hatte ich schon keine Lust mehr. Und ich dachte: Bitte tut das nicht – zieht eurem Sound nicht die Zähne.

“Skyforger” ist so melodiös, dass die durchaus vorhandenen Death-Metal-Sprengsel kaum auffallen und der monolithische Brocken “Majestic Beast” wie ein übertrieben harter Fremdkörper wirkt.

Klar – die Melodien sind absolut on point, aber AMORPHIS haben sie zu sehr in den Vordergrund gestellt und ihre anderen Stärken sträflich vernachlässigt. So hat “Skyforger” zu viel Ohrwurm und zu wenig Wumms. Ein nerviges Album.

12 –  The Beginning Of Times (2011)

The Beginning of Times Amorphis album coverThe Beginning of Times Amorphis album coverAMORPHIS finden zurück zu der Leichtigkeit, mit der nur sie folkig-schwelgerische Melodien mit robustem Death Metal vermischen können. Spätestens der Song “My Enemy” nimmt mir seinerzeit die Sorgen, die noch von “Skyforger” hängen geblieben waren: dass meine einstige Lieblingsband endgültig auswhimpt.

Allerdings wollen AMORPHIS hier zu viel. Komplexere Songs zum Beispiel – da hätte man hier und da ein Minütchen kürzen können, wie beim ansonsten großartigen “Three Words”. AMORPHIS haben im Nachhinein selbst angemerkt, dass “The Beginning Of Times” zu lang geworden und von Ideen überladen ist.

Aus meiner Sicht sind mit “Reformation” und “On A Stranded Shore” zwei gänzlich verzichtbare Songs dabei. Und: Das auf dieser Platte heftig überstrapazierte Stilelement weibliche Gastvocals bitte auch schnell wieder zurück in die Mottenkiste. Das sind viele Kritikpunkte für eine Band, die es viel besser kann. Wenn ich AMORPHIS mit Tomi Joutsen hören will – “The Beginning Of Times” wähle ich nie.

11 –  Halo (2022)

amorphis halo album coveramorphis halo album coverGedöns und Chi-Chi des Vorgängers “Queen Of Time” sind weitestgehend wieder verschwunden. Auch die extremeren Auswüchse von “Under The Red Cloud” sind zurückgefahren – “Halo” ist straighter AMORPHIS-Metal mit rockiger Kante. Kann man machen, zumal die Mischung aus Härte, Melodie, Komplexität und Epik wieder einmal ausgeglichen ist.

Aber andere AMORPHIS-Alben sind spannender als “Halo”, das klingt, als wäre die Band ein bisschen faul geworden. Ich warte beim Hören auf die Highlights, die normalerweise spätestens mit Track zwei anfangen. Doch vergebens.

Gut, auch “Halo” hat einige Elemente, die aufhorchen lassen: den Kracher “War”, interessantes Oldschool-Death-Metal-Riffing in “The Wolf”, die erste echte AMORPHIS-Ballade “My Name Is Night” (pathetisch, aber gut) – aber all das kommt so spät, da bin ich schon raus. Auch mit “Halo” sind AMORPHIS immer noch besser als, sagen wir mal: ARCH ENEMY, aber für die saustarke Joutsen-Phase ist das Album blass.
 

10 –  Far From The Sun (2003)

amorphis far from the sun album coveramorphis far from the sun album coverFür viele das schwächste AMORPHIS-Album, war “Far From The Sun” für mich beim Wiederhören eine positive Überraschung. Zwar ist auch das letzte Album mit Sänger Pasi Koskinen Teil der unterwältigenden Phase der Band, und auch hier hätte sich der Mann etwas mehr Mühe geben oder AMORPHIS einfach früher verlassen können.

Was “Far From The Sun” aber zu einer spaßigen Angelegenheit macht, sind die schön straight und direkt nach vorne rockenden Songs, die den Großteil der Tracklist einnehmen, und das Geschick, mit dem AMORPHIS auch hier ihre folkigen Melodien einflechten. Und nach “Am Universum” bin ich schon dankbar, wenn ich mich nicht ärgern muss …

9 –  Elegy (1996)

amorphis elegy album coveramorphis elegy album cover

Ein sehr wichtiges Album für AMORPHIS, denn statt einen absoluten Death-Metal-Klassiker nicht toppen zu können, machen sie nach “Tales From The Thousand Lakes” lieber was ganz anderes – neuer Sound, neuer Sänger, neues Logo.

Auch wenn Tomi Koivusaaris Growls noch recht viel Raum einnehmen, hat “Elegy” nicht mehr viel mit den Wurzeln zu tun. Mehr Folk, neue Psychedelic-Elemente und ein noch stärkerer Fokus auf Keyboards machen den Sound leichter – und AMORPHIS führen ihren neuen Clean-Sänger Pasi Koskinen ein. “Elegy” ist ein sehr mutiger Schritt, mit dem sich AMORPHIS nach “Tales From The Thousand Lakes” erfogreich freischwimmen.

So richtig zusammengewachsen sind neuer Sänger und Band aber hier noch nicht, man hört keine Einheit. Tatsächlich ist für mich “Song Of The Troubled One”, auf dem Koskinen nicht zu hören ist, das Highlight auf “Elegy”. Was mich außerdem stört, ist der zum Teil öde Bass: Der damalige und mittlerweile wiedergekehrte Bassist Olli-Pekka Laine klingt in einigen Stücken, als wüsste er selbst nicht so recht, was er zu dem neuen Sound spielen soll (Beispiel: “Against Widows”). So ist “Elegy” gleichzeitig Meilenstein und durchwachsene Angelegenheit.

8 –  The Karelian Isthmus (1992)

Amorphis The Karelian Isthmus Album CoverAmorphis The Karelian Isthmus Album CoverDas Debütalbum “The Karelian Isthmus” war für mich das zweite AMORPHIS-Album, nachdem mich “Tales From The Thousand Lakes” komplett umgehauen hatte. Ich war recht überrascht von dem deutlich roheren und klassischeren Death Metal. Vor allem geht Album Nummer eins das besondere Flair ab, das Album Nummer zwei im Übermaß hat.

Wenn man nicht gerade RAGE AGAINST THE MACHINE ist, kommen die ganz großen Alben eben erst später. Aber die Gitarrenmelodien sind schon da, knarzig noch und doomig, aber schon besonders. Das macht “The Karelian Isthmus” für Historiker:innen interessant, die die Wurzeln der Band erforschen wollen: Denn man kann sogar zwischen dem Debüt und dem aktuellen Album “Halo” gewisse Parallelen ausmachen.

Ansonsten hat das Debüt von 1992 nicht viel mit den späteren AMORPHIS zu tun und ist das einzige Album dieser wandelbaren Band, das ganz klar einem Genre zuzuordnen ist – und dadurch als Solitär heraussticht. “The Karelian Isthmus” ist guter 90er-Death-Metal, nicht mehr und nicht weniger.

7 –  Under The Red Cloud (2015)

Amorphis Under The Red Cloud Album CoverAmorphis Under The Red Cloud Album Cover

Jawoll! AMORPHIS werden progressiver und stellen den Härtegrad auf Elf. “The Four Wise Ones” hat sogar deutliche Spuren von Black Metal, und auch wenn der Vergleich ein bisschen weit greift, muss ich hier und da an ältere OPETH denken.

Damit rennen AMORPHIS bei mir offene Türen ein und ich verzeihe ihnen auch den flachen Abgang, namentlich das Dudelfolk-Thema von “Tree Of Ages” und den abschließenden Song “White Night” (ein anachronistisches “Beauty And The Beast”-Duett mit Aleah Stanbridge vs. Tomi Joutsens Growls). Allerdings sind AMORPHIS so gute Songwriter, dass sie sogar diese zwei Karren aus dem Dreck ziehen und zu ordentlichen Songs machen.
 

6 –  Queen of Time (2018)

Auch wenn “Queen Of Time” mit sphärischem amorphis queen of time album coveramorphis queen of time album coverSirenengesang beginnt (ein Stilelement, das jeden Song verbessert, indem man es weglässt) – “The Bee” ist einer der stärksten Opener seit langem. AMORPHIS tragen bei diesem Album dick auf, lassen orchestrale Orgien und orientalische Sounds springen.

Das Saxophon ist wieder da, und als neues Element kommen mächtige Chöre hinzu – und ein Spoken-Word-Part auf Finnisch. So einen Beigeschmack von Bongwasser hatte die Band schon lange nicht mehr. Und ist trotzdem heavy as fuck.

Manchmal überspannen AMORPHIS den Bogen etwas, ja, sie haben Glück, dass ich die Stimme von Anneke Van Giersbergen mag und daher auch das gefährlich seichte “Amongst Stars” akzeptieren kann. Insgesamt ist “Queen Of Time” ein cooles und vor allem spannendes Album.

5 –  Circle (2013)

amorphis circle album coveramorphis circle album cover“Circle” zeigt wieder mal die Angewohnheit von AMORPHIS, einen absoluten Kracher auf Platz zwei der Tracklist zu setzen, hier “Mission”.

Aber auch der Rest des Albums knallt und ist ein gutes Beispiel des ganz besonderen AMORPHIS-Sounds, der die Band in ihrer Joutsen-Phase charakterisiert: die perfekte Mischung aus kredibilem Death Metal und flüssigen Ohrwurmmelodien, Epik und Melancholie. “Nightbirds Song”!

Wenn nicht das arg schunkelige “Narrow Path” wäre, stünde “Circle” in meinem Ranking weiter oben. 

 

 

4 –  Tuonela (1999)

amorphis tuonela album coveramorphis tuonela album coverDie Band und ihr Sänger Pasi Koskinen sind zusammengewachsen: Mit “Tuonela” veröffentlichen AMORPHIS drei Jahre nach dem Übergangsalbum “Elegy” eines ihrer schlüssigsten Alben überhaupt. Abgesehen vom Death-Metal-Relikt “Greed” ist “Tuonela” rockig, psychedelisch und melodiös. Die Gitarren schwelgen in Delay und Wah Wah, dazu kommen Hammond-Orgeln, ein Saxophon sowie eine Flöte, die in “Rusty Moon” völlig freidreht.

Pasi Koskinen liefert hier die beste Performance in seiner Zeit bei AMORPHIS ab. “Tuonela” ist voller melancholischer Ohrwürmer und Hooks, und da hier ausnahmslos jeder Song gut ist, ist “Tuonela” mein absoluter Favorit dieser Phase.

3 –  Eclipse (2006)

amorphis eclipse album coveramorphis eclipse album coverEs hätte auch anders kommen können. Nach dem mauen “Far From The Sun” steht die Band ohne Sänger da. Die Suche nach einem Ersatz für Pasi Koskinen gestaltet sich schwierig. Zeitweise stand wohl sogar die Idee eines Instrumental-Albums im Raum. Das wäre wohl nicht so erfolgreich geworden, auch wenn ich es in einer anderen Realität gerne mal hören würde. Doch dann kommt Tomi Joutsen, der perfekte Mann für den Job, und mit ihm das perfekte Album.

Was für ein Neuanfang! AMORPHIS bündeln alle Stärken ihrer Vergangenheit und erschaffen auf einen Schlag ihren Signaturesound der kommenden, bislang 18 Jahre. Sie werden das Rezept verfeinern, auch verbessern, aber die Basis ist gelegt.

Ich hatte die Band schon fast vergessen und musste von einer Freundin genötigt werden, reinzuhören – “Eclipse” hat mich sofort begeistert und tut es immer noch. AMORPHIS machen den Phönix und starten 14 Jahre nach dem Debüt eine steile Karriere.

2 –  Silent Waters (2007)

amorphis silent waters album coveramorphis silent waters album coverEin Jahr nach der Wiederauferstehung “Eclipse” kommt schon “Silent Waters” – spätestens jetzt bin ich, ein Boomer, der die AMORPHIS der frühen 90er schon aus Prinzip am besten findet, wieder Fan. Der Doppelschlag aus “Weaving The Incantation” und “A Servant” am Anfang dieses Überalbums gibt mir jedes Mal Gänsehaut.

AMORPHIS perfektionieren ihren neuen Sound und geben ihm noch eine gute Kelle extra Melancholie. Auch wenn sie gegen Ende ein bisschen mehr Gas hätten geben können – “Silent Waters” ist für mich das absolute Highlight der Joutsen-Phase und das Album, das ich allen, die AMORPHIS noch nicht kennen, als erstes ans Herz legen würde.

1 –  Tales From The Thousand Lakes (1994)

amorphis Tales From The Thousand Lakes album coveramorphis Tales From The Thousand Lakes album coverKein anderes Album als “Tales From The Thousand Lakes” kann an der Spitze meines Rankings stehen. AMORPHIS sind auf ihrem Zweitwerk immer noch Death Metal, lassen aber ein paar von dessen Elementen hinter sich. Sie konzentrieren sich auf magische Melodien und Atmosphäre, zeigen erste Anzeichen psychedelischen Hippie-Tums.

Großen Anteil an der Großartigkeit der ausnahmslos großartigen Songs hat der neu hinzugekommene Keyboarder Kasper Mårtenson – vom unvergesslichen Album-Intro bis zu den Trance-artigen Akzenten im abschließenden “Magic And Mayhem” stimmt hier alles, was der junge Mann, der nach der Tour zum Album schon wieder weg war, auf den Tasten zaubert, und gibt der Musik eine zusätzliche Dimension.

Was “Tales From The Thousand Lakes” für mich aber unumstößlich zum besten und wichtigsten AMORPHIS-Output macht: Es war zwar nicht mein erster Kontakt zu diesem Genre, aber das erste Death-Metal-Album, das ich wirklich mochte. Ja, ich gestehe hier und jetzt: Ich habe 1994 in meinem Jugendzimmer Luftgitarre gespielt und die Lippen zu Tomi Koivusaaris Growls bewegt. Und seitdem lässt mich die Atmosphäre dieses Albums nicht mehr los.

Es ist dieses Gefühl, dass mich hier eine Band an die Hand nimmt und in eine andere Welt führt, die düster, melancholisch und schummrig ist. Vielleicht ist es Finnland oder eine magische Parallelwelt im Norden – die aber völlig frei ist vom Wikinger-Kitsch und Testosteron-Mist, den man sonst so aufgetischt bekommt.

Hier kommen die Texte ins Spiel: AMORPHIS lassen sich das erste von vielen Malen von der Kalevala inspirieren, dem mythologischen Nationalepos Finnlands. Für Außenstehende eher kryptisch, hinterlassen die Texte zwar Fragezeichen, aber gerade das gibt “Tales From The Thousand Lakes” das ganz besondere Etwas – ich jedenfalls wollte mich sofort mit an den Holztisch setzen, an dem der Eintopf für die Gäste serviert wird. Vielleicht hätte mir dann jemand verraten, was die Länder des Nordens so glücklos macht? Und was genau das erste Verhängnis ist, das Verhängnis des Kindes?

“Tales From The Thousand Lakes” ist völlig zu Recht zum unsterblichen Klassiker geworden. AMORPHIS haben nie versucht, dieses Album zu wiederholen, so wie sie sich kaum je wiederholt haben. Das macht sie zu einer der spannendsten Bands im Metal – auch nach einer über 30 Jahre umfassenden Karriere.