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Türkiye reduces price increase to 52 percent

Die Inflation in der Türkei ist im August stark gesunken, beträgt aber immer noch mehr als 50 Prozent. Laut dem Statistikamt Turkstat verlangsamte sich der Anstieg der Preise auf 52 Prozent, nachdem die Rate im Vormonat 62 Prozent betragen hatte. Da ein Teil der Reduktion auf den Basiseffekt des starken Preisanstiegs im Vorjahr zurückzuführen ist, verfolgen Analysten auch die monatliche Veränderungsrate. Die lag mit 2,5 Prozent zwar unterhalb von 3,2 Prozent im Juli, übertraf jedoch die Erwartungen.

Viele Ökonomen sehen in den hohen Inflationserwartungen ein Problem. Kaum jemand erwartet, dass die Notenbank ihr Ziel erreichen wird, die Teuerung bis Dezember auf 38 Prozent zu drücken. Mit einem Anstieg um 45 Prozent blieben die Nahrungsmittelpreise im August den amtlichen Daten zufolge unterhalb der durchschnittlichen Rate, während der Preisanstieg für Gesundheitsausgaben, Alkoholika, Restaurantbesuche, Wohnungskosten und Bildung deutlich darüber lag.

Zur Bekämpfung der Inflation hatte die Notenbank im Vorjahr den Leitzins von 8,5 Prozent schrittweise auf 50 Prozent erhöht, um die Kreditvergabe und die Nachfrage zu dämpfen. Dort liegt der Satz nun unverändert seit März. Die Wirtschaft reagiert darauf mit nachlassendem Wachstum. So betrug die Zuwachsrate im zweiten Quartal nur noch 2,5 Prozent, was saisonbereinigt einem marginalen Plus von 0,1 Prozent zum Vorquartal entsprach.

Finanzminister Şimşek sagte, die Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik werde sich im dritten Quartal fortsetzen. „In einem Umfeld sinkender Inflation, finanzieller Stabilität und ausgewogenem Wachstum ist es für unseren Privatsektor wichtig, sich auf Effizienz, Innovation und eine Produktion mit hoher Wertschöpfung zu konzentrieren und gleichzeitig das Kosten- und Lagermanagement zu verbessern“, twitterte er. Aus den Unternehmen kommen indes vermehrt Klagen, die Abwertung der Lira halte der steigenden Inflation und Kosten nicht stand, was die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtige.

Finanzminister will säumige Steuerzahler an den Pranger stellen

Şimşek gilt als Liebling internationaler Finanzinvestoren, die seit Ende 2023 die Türkei wieder verstärkt als Anlageplatz für Kapital betrachten, worauf das Land wegen des Leistungsbilanzdefizits angewiesen ist. Unter den von steigenden Preisen und ausbleibenden Anpassungen staatlicher Leistungen leidenden Wählern ist seine Zustimmungsrate allerdings gering. Zuletzt gab es Gerüchte, er könne abgelöst werden, was die Regierung offiziell zurückwies.

Derweil empfahlt der Internationale Währungsfonds der Regierung in der vergangenen Woche einen noch stärkeren Sparkurs, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Şimşek versucht mit populistischen Mitteln Boden gut- zumachen. So kündigte er dieser Tage an, er werde die Namen all jener veröffentlichen, die ihre Steuerschuld nicht rechtzeitig beglichen hätten – und twitterte die Namen der größten privaten Steuerzahler, darunter den von Selçuk Bayraktar, einem Eigentümer des Drohnenherstellers Baykar und Schwiegersohn von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan.

Türkei auf Kurs zu den BRICS

Dieser wiederum sucht einerseits die Annäherung an die EU, will sein Land aber auch in die von Brasilien, China, Russland und Südafrika gegründete Gemeinschaft der Schwellenländer (BRICS) führen. Dahinter steht wohl das Ziel einer Ausweitung des Außenhandels. Außenminister Hakan Fidan hatte nach einem Treffen der BRICS-Außenminister im Juni erklärt, die ­Organisation erhöhe „die Vielfalt der Ansätze, Identitäten und Politiken im globalen Wirtschaftssystem“.

Commerzbank-Ökonom Ulrich Leuchtmann hält den Ansatz mit Blick auf die Befriedigung des Finanzbedarfs der Türkei für wenig vielversprechend. In einer idealen Welt würde sich eine Regierung unter dem Druck zögerlicher Kapitalgeber gezwungen sehen, auf glaubwürdige, dauerhafte In­flationsbekämpfung umzuschalten, schrieb er. Jeder Versuch Erdoğans, Kapitalzufuhr anders sicherzustellen, sei ein Versuch, diesen Schritt zu vermeiden: „Das mag lange Zeit die Finanzierung der Leistungsbilanz-Defizite ermöglichen; näher an eine wirklich nachhaltige Lösung rückt die türkische Politik damit nicht.“